Zur Geschichte der Schlosskirche zu Mannheim

Am 2. Juli 1720 legte Kurfürst Carl Philipp (Regent von 1716 bis 1742) den Grundstein zum neuen Schloss in Mannheim und damit zur Schlosskirche. Vermutlich stammte der erste Plan der gesamten Anlage von Louis Remy de la Fosse, dem Hofarchitekten des Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Als der Mainzer Baumeister Johann Kaspar Herwarthel 1720 seinen Voranschlag von 300000 Gulden aufstellte, war er an einen Plan gebunden. Nach dessen Tod wurde noch 1720 Johann Clemens Froimont, bisher Baumeister im Dienst des Bischofs von Speyer, beauftragt, den Bau ebenfalls nach einem vorliegenden Plan fortzuführen. Da er ein Mann mit eigenen Vorstellungen war, musste er 1726 den Dienst quittieren. Aber sein Nachfolger in der Leitung der Bauarbeiten, Guillaume Hauberat (1680 - 1750), hielt sich an die Gesamtkonzeption Froimonts und vollendete sowohl den Mittelbau des Schlosses, als auch die Innenausstattung der Schlosskirche. Mit der Einweihung der Schlosskirche am 13. Mai 1731 endete die erste Bauperiode des Schlosses.
Die Schlosskirche im Westen, die Bilbliothek im Osten markieren architektonisch die Flügel des Schlosses durch ihre Portale, die künstlerisch gestalteten Giebel und die hohen Fenster. Die Stadtfront des Schlosses misst 450 m, die überbaute Fläche beträgt 60000 qm. Es ist das größte Schloss Deutschlands und wird nur noch vom Kreml in Moskau und vom Schloss zu Versailles übertroffen.
Der Kurfürst zog ein in seine neue Residenz. Zuvor weihte der Erzbischof Clemens August von Köln die Schlosskirche auf den Titel: Mariä Heimsuchung.
Der Krieg zerstörte das Kunstwerk in den Jahren 1943 und 1945 bis auf die Mauern. Es fehlen heute die Scheinkuppeln im Chor, die Empore hinter dem Altar und die kurfürstliche Loge über dem Eingang. Der Wiederaufbau erfolgte 1952 - 56 nach den Plänen von Dipl.-Ing. Lothar Wolff vom Staatlichen Hochbauamt Mannheim nahezu originalgetreu.
Johannes Josef Demmel, Bischof der Altkatholiken in Deutschland, weihte am 1. Juli 1956 die Schlosskirche zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.
Die Renovation der Schlosskirche ist überall einmütig als Musterbeispiel deutscher Denkmalspflege anerkannt. Wegen ihrer vollendeten Harmonie in Architektur, Plastik und Malerei, wegen ihrer herrlichen Lichtwirkung und Akustik wird sie zu den schönsten Sakralräumen Deutschlands gerechnet.

Der Kirchenraum

Wenn man bei Sonnenschein am Vormittag die Kirche betritt, den „heiteren Festsaal Gottes", der auch bei bedecktem Himmel seine Freundlichkeit nicht verliert, dann kann man nicht mehr feststellen, dass 1943 der Chorraum und 1945 das ganze Schiff bis auf die Mauern vom Brand zerstört worden waren. 18 m hoch erhebt sich der straff gegliederte Rechteckraum der einschiffigen Kirche, vom gleichmäßigen Rythmus der Fenster- bzw. Wandnischen auf 3 Seiten umzogen. Die Stirnseiten der Wandpfeiler sind mit Pilastern aus hellrotem Stuckmarmor und weißen Kompositkapitellen besetzt, die ein durchgezogenes klassizistisch-strenges Gebälk tragen. Darüber steigt das Spiegelgewölbe auf, das durch die Rundfenster segelartig erscheint. Im Osten wird die anstelle der Kurfürstenloge errichtete Orgelempore von 2 ionischen Säulen getragen, wodurch ein Vorraum ausgegrenzt wird. Die Orgelempore setzt sich in den Emporen der Südwand fort.

Chorraum und Hochaltar

Die Altarseite der Kirche ist durch eine neue Chornische mit halbkreisförmigem Bogen geschlossen, was nicht mehr der einstigen Komposition entspricht. Auch das von dem französischen Maler Goudreau gemalte ehemalige Altarbild: Mariä Heimsuchung (Maria besucht ihre Base Elisabeth), ist nicht mehr erhalten.
Der jetzige Hochaltar entstand nach seinem Entwurf von Paul Egell; denn dieser Altarriss scheint für die Schlosskirche gezeichnet worden zu sein. Der architektonische Aufbau, der sich über dem geschwungenen Altartisch erhebt, ist in Form eines flachen Säulenbaldachins ausgeführt und fügt sich gut dem Kirchenraum ein: Die beiden korinthischen Säulen tragen ein hohes Gebälk, das von Vasen und einem luftigen Aufbau aus Rocaillen bekrönt wird. An den Seiten stehen auf Sockeln große vergoldete Barockvasen. Das über 4 m hohe und 2 m breite Altargemälde zeigt „Die Anbetung der heiligen drei Könige". Der italienische Maler Giovanni Battista Tiepolo hat das Original 1753 für Kloster Schwarzach in Franken geschaffen. Es ist heute in der Alten Pinakothek in München zu sehen. Prof. August Bresgen, Maler und Bildhauer in München, hat 1956 diese meisterhafte Kopie in Originalgröße gefertigt.

Das Deckengemälde

Das gewaltige Deckengemälde ist erstmals von Cosmas Damian Asam (1680 - 1742) 1728 geschaffen worden. Nach der Zerstörung war davon nur noch eine Kleinbildaufnahme vorhanden.
Kunstmaler Carolus Vocke hat in meisterhafter Einfühlungskraft das Gemälde Asams neu erstehen lassen und auf einer Fläche von 224 qm die Themen überzeugend nachgebildet.
Das Deckenfresko zeigt 4 Szenen: „Mariä Heimsuchung" an der Schmalseite zum Chorraum;
gegenüber: „Die Aussendung der Missionare durch die Kirche";
an der Straßenseite: „Der Sieg des Kreuzes über die Mächte der Finsternis";
gegenüber: „Das urchristliche Liebesmahl", die Agape.
Ohne Zweifel vollendet das Werk Vockes, der barocke Himmel mit seinen vielen Details, den Kirchenraum. Asam hatte sich für seine Malerei 1728 den Titel eines Kurpfälzischen Hofkammerrats erworben.

________________________________________________________________________________________________
Schlosskirche zu Mannheim – Ort festlicher Musik

Das kurfürstliche Schloss zu Mannheim war der Schauplatz großartiger barocker Prachtentfaltung unter den Kurfürsten von der Pfalz Carl Philipp und Carl Theodor.
Hoffeste ohne Musik waren undenkbar.
Leopold Mozart, der Vater von Wolfgang A. Mozart, wusste vom Mannheimer Orchester zu berichten:
„das Orchester ist ohne widerspruch das beste in Teutschhland, und lauter junge Leute, und durch aus Leute von guter Lebensart, weder Säufer, weder Spieler, weder liederliche Lumpen; so, dass so wohl ihre Conduite als ihre production hochzuschätzen ist.”
(Quelle: Brief Nr. 56/27-30 vom 19. Juli 1763 – in: Mozart, Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe. Hrsg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg. Gesammelt und erläutert von Wilhelm A. Bauer und Otto Erich Deutsch, 8 Bände, Bärenreiter und dtv, Kassel / Basel / London / New York und München 2005, Bd. 1, S. 79)
In der Schlosskirche – damals meist „Hofkapelle” („Chapelle Electorale”) oder auch „Kapelle” genannt – gestaltete die Mannheimer Hofkapelle (das hochgerühmte Orchester samt Vokalisten) jeden Sonn- und Feiertag das „hohe musikalische Amt” (grand' Messe en musique).
» In der Schlosskirche konnte man an jedem Sonntag und an jedem Feiertag den Chor mit Solisten, das großartige Orchester und Mannheimer Vokal- und Instrumentalkompositionen hören. «
(Quelle: Schmitt, Eduard, Die Kurpfälzische Kirchenmusik im 18. Jahrhundert, Dissertation an der Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg 1958, S. 49) – so Eduard Schmitt.
Bärbel Pelker bestätigt diese Feststellung:
„Mit Formulierungen wie Musicalisch abgesungen oder das Musicalische Hohe Ambt ist die Aufführung konzertanter Kirchenkompositionen gemeint, die eine Mitwirkung der gesamten Hofmusik (Instrumentalisten und Sänger) erforderlich machte.”
(Quelle: Pelker, Bärbel, ... es läst sich eine schöne Musick machen ... - Mannheimer Hofmusik im Zeitalter Carl Theodors - in: „Lebenslust und Frömmigkeit. Kurfürst Carl Theodor (1724-1799) zwischen Barock und Aufklärung”, Publikationen des Reiss-Museums Mannheim Bd. 1.1, Pustet Verlag Regensburg 1999, S. 294
Nochmals Schmitt:
» Bei den Hochfesten, vorab bei den Geburts- und Namenstagen des Kurfürsten und seiner Gemahlin, entfaltete man eine pompöse Pracht: die Schloßkirche stand im vollen Blumen-, Kerzen- und Reliquienschmuck, die geistlichen Offizianten trugen goldbrokatene Gewänder, die gesamte Geistlichkeit des Hofes und vom Jesuitenkolleg assistierte, der ganze Hochadel hatte in Gala zu erscheinen, die Ehrenkompagnien mussten Spalier bilden, zum Gloria, zur Elevation bei der Wandlung bzw. zum darauffolgenden Te Deum und zum letzen Segen wurden die Kanonen (auf den Wällen) abgefeuert.«
(Quelle: Schmitt, Eduard, a.a.O., S. 51f )
Während in der Kirche wichtige Elemente der Liturgie durch Ritus und Musik besonderes ausdrucksstark gestaltet wurden, um Herz und Sinn der Mitfeiernden himmelwärts zu erheben, wurde draußen aus allen Rohren gedonnert und so das Mysterium Tremendum Gottes fast physisch erlebbar gemacht. – Selbst die besten Opernaufführungen reichten an diese gottesdienstlichen Inszenierungen kaum heran, wie der Dichter Christoph Martin Wieland bestätigt: „Denn ich wollte lieber ein Paar Finger als die Christmette in der Hofkirche zu Mannheim verlieren. Das ist für mich eine fête, die über alle fêten und Opern geht.”
(Quelle: im Brief 771. An Merck in Darmstadt, Weimar, den 1. Dezember 1777 – in: Wielands Briefwechsel. Hrsg. durch Hans Werner Seiffert, 5. Bd., Briefe der Weimarer Zeit (21. Sept. 1772 - 31. Dez. 1777), Akademie-Verlag, Berlin 1983, S. 687)
Hier in der Schlosskirche feierte man summa cum pompa in barocker Lebensfreude.


Die Festivitäten zogen viele auswärtige Gäste in ihren Bann.
Wegen der großartigen Hofmusik versuchte Mozart in Mannheim bei Hofe eine Anstellung zu erlangen – was iihm freilich nicht gelang.
Während seines mehrmonatigen Aufenthalts in Mannheim ab Ende Oktober 1777 besuchte er regelmäßig die Hofgottesdienste in der Schlosskirche, um Kontakte zur Hofmusik zu knüpfen.
Nach seinem Gottesdienstbesuch hier am Allerheiligentag 1777 beschreibt er das Orchester:
„ ich war sammstag am allerheiligen tag in der kapelle in Hochammt. das orchestre ist sehr gut und starck. auf jeder seite 10 bis 11 violin, 4 bratschn, 2 oboe, 2 flauti und 2 Clarinetti, 2 Corni, 4 violoncelle, 4 fagotti und 4 Contrabaßi und trompetten und Paucken. es läst sich eine schöne Musick machen, ... ”
(Quelle: Brief 363/38-42 vom 04.11.1777 – in: Mozart, a.a.O., Bd. II (1777-1779), S. 101)
Am darauffolgenden Sonntag, dem 09.11.1777, greift Mozart nun gar selbst in die Tasten der Orgel, wie er unter dem 13.11.1777 an seinen Vater berichtet:
» vergangenen Sonntag spiellte ich aus spass die orgl in der kapelle. ich kamm unter den Kyrie. spiellte das End darvon; und nachdem der Priester das gloria angestimmet, machte ich eine Cadenz. weil sie aber gar so verschieden von den hier so gewöhnlichen war, so gugte alles um, und besonders gleich der holzbauer. er sagte zu mir: wen ich das gewust hätte, so hätte ich eine andere Messe aufgelegt. ja, sagte ich, damit sie mich angesetzt hätten! - - Der alte Toeschi und wendling stunden immer neben mir. die leüte hatten genug zu lachen. es stund dan und wan Pizzicato. da gab ich allzeit den tasten bazln. ich war in meinem besten Humor. anstatt den benedictus muß man hier allzeit spiellen. ich nahm also den gedancken vom Sanctus, und führte ihn fugirt aus. da stunden sie alle da, und machten gesichter. auf die lezt nach dem ite missa est, spiellte ich eine fugue. das Pedal ist anderst als bey uns; das machte mich anfangs ein wenig irre, aber ich kamm gleich drein. « (Quelle: 370/80-93 – in: Mozart, a.a.O., Bd. II: 1777-1779, S. 120)


Eine besondere liturgische Hoch-Zeit waren die Kar- und Ostertage – beginnend mit der Segnung der Palmzweige und einer Prozession am Palmsonntag bis hin zur Feier des dritten(!) Ostertages.
Am Gründonnerstag vollzog der Kurfürst nach dem Gottesdienst in der Kapelle die Fußwaschung an 12 alten Männern, welche die Apostel darstellten:
Der Schwede Jacob Jonas Björnståhl berichtet in seinen Briefen auch über seinen Mannheimer Aufenthalt im Jahre 1774:
» Am grünen Donnerstage verrichtete der Kuhrfürst in der Schloßkapelle die bey den Katholiken gewöhnliche Religionsceremonie des Fußwaschens. Alles gieng dabey herrlich und prächtig zu: die ganze Wache paradierte; der Kuhrfürst hatte die in einem kurzen schwarzen spanischen Mantel und der Ordenskette bestehende Ordentracht des Sancthubertsordens an; die sämtlichen Ritter, wie auch die Prinzen Karl von Zweybrücken, und Wilhelm von Birkenfeld, nebst dem jungen Prinzen Radzivil aus Polen, begleiteten ihn. Die Messe wurde mit einer schönen Musik angefangen. Darauf genossen der Kuhrfürst, die Prinzen und die übrigen Ritter, und zuletzt die zwölf alten Männer, welche die zwölf Apostel vorstellten, und, wie zu Rom, weiß gekleidet waren, das Abendmahl. Das Fußwaschen selbst geschah im sogenannten Rittersaale, wo sich die zwölf Apostel auf eine mit schwarzem Tuch überzogne lange Bank setzten. ...« (Quelle: Björnsthål, Jakob Jonas, Briefe auf seinen ausländischen Reisen an den Königlichen Bibliothekar C. C. Gjörwell in Stockholm. Aus dem Schwedischen übersetzt von Christian Heinrich
Groskurd, 6 Bde., Rostock, Leipzig 1777-1784, hier: Fünfter Band, welcher das Tagebuch des vorhin nicht beschriebenen Theils der Reise durch die Schweiz, Deutschland, Holland und England enthält., Leipzig und Rostock bey Johann Christian Koppe 1782, S. 199-200)


Der Karfreitag wurde mit einem großen Oratorium beschlossen. In den Hofkalendern heißt es daher regelmäßig:
» Abends um 4. Uhr ist die Trauer=Metten in Beyseyn Höchster Herrschafft und des gantzen Hofs, welcher gegen 8. Uhr ein Musicalisches Oratorium in der Hof=Capell folget.«
Die Oratorien wurden besonders aufwändig gestaltet mit Herausgabe eigener (zum Teil zweisprachiger) Libretti – quasi als Opern-Ersatz in der Fastenzeit. Ein Grossteil der Libretti blieb erhalten.
Selbstverständlich wurden auch die Geburts- und Namentage der kurfürstlichen Herrschaften gebührend begangen. Im gerade eben erschienenen, noch druckfrischen Mannheim-Brockhaus ist zu lesen:
„Höhepunkte des Mannheimer Hoflebens waren ab 1769 die musikalischen Veranstaltungen der Namenstage des Kurfürstenpaares am 4. und 19. November, die mit einem musikalischen Festgottesdienst in der Schlosskirche und einem »Grand Appartement« (= Abendunterhaltung des Hofes mit Musik und Spiel) begannen. Auf die international viel beachtete Festaufführung einer großen Oper am zweiten Tag, die meistens auch die erste Oper der nachfolgenden Karnevalszeit war, folgten am dritten Tag eine musikalische Akademie und am vierten ein Schauspiel mit Ballett bzw. ab 1769 eine »Opera buffa« (Operette).
Für die Karnevalszeit bestand ebenfalls ein festes Reglement der im wöchentlichen Turnus stattfindenden Vergnügungen: Oper, Maskenball und musikalische Akademie.
All diese »Spectaclen« standen dem Publikum kostenlos zur Verfügung. Die geistliche Hofmusik, die bis auf zwei Ausnahmen in der Schlosskirche erklang, richtete sich nach dem Kirchen- und Festkalendarium des Hofes.”
(Quelle: Stichwort „Mannheimer Hofmusik” in: Der Brockhaus Mannheim. 400 Jahre Quadratestadt – das Lexikon, Mannheim 2006, S. 209)


An diese großartige musikalische Hoch-Zeit versucht die Konzertreihe „Schlosskonzerte Mannheim” anzuknüpfen, indem international renommierte Künstler dazu eingeladen werden. Hier in dem „heiteren Festsaal Gottes”, wie die Schlosskirche treffend genannt wird, sind die besten Voraussetzungen gegeben, dass sich Herz und Sinn der Konzertbesucher über den oftmals grauen Alltag erheben können und der Seele Flügel wachsen.
zurück